Erneuerung der Kulturstudien des portugiesischen Sprachraumes. Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft

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Erneuerung der Kulturstudien des portugiesischen Sprachraumes
Vortrag und Diskussion in der Casa de Portugal, São Paulo, 1970

Partitur von Jorge Peixinho
Von Anfang an war die Bewegung für die Erneuerung der Kulturstudien Brasiliens, die 1966 mit der Diskussion über das Verhältnis zwischen historischer und empirischer Forschung einsetze, mit Fragen beschäftigt, die Portugal betrafen. Dabei spielte die Auseinandersetzung mit traditionellen Kulturpraktiken eine zentrale Rolle, die denen der Azoren entsprachen und auf das mittelalterliche Portugal zurückgingen (siehe Bericht). Die Einbeziehung von Fragen, die das Musikleben Portugals und der Länder portugiesischer Sprache Afrikas betrafen, wurde durch den Aufenthalt des portugiesischen Pianisten Siqueira Costa in Brasilien gefördet.

Nach der Gründung der Gesellschaft für Studien von Kulturprozessen 1968 nahm der portugiesische Komponist Jorge Peixinho aktiv an den Debatten teil. Im Rahmen seiner Mitwirkung als eingeladener Dozent an den Internationalen Kursen des Musikfestivals des Bundesstaats Paraná rief er 1969 und 1970 die notwendige Erneuerung der Kulturstudien im Gesamtrahmen des portugiesischen Sprachraumes angesichts des politischen Prozesses ins Bewusstsein, der in den überseeischen Gebieten und Kolonien Portugals eingetreten war.

Die bisherige Zusammenarbeit zwischen brasilianischen und portugiesischen Volkskundlern, die seit langem als notwendig hervorgehoben wurde und zu bedeutenden Initiativen geführt hatte, schien allzu sehr von Auffassungen und Zielsetzungen des autoritären Systems Portugals geprägt, die überwunden werden sollten. Die Literatur und die Arbeit von Institutionen waren von Vorstellungen einer offiziellen Kulturpropaganda geprägt, die auf die 30er und 40er Jahre zurückgingen. Die Auseinandersetzung mit traditionsgebundenen Erscheinungen der Volkstradition dienten kulturpolitischen Auffassungen, die angesichts der antikolonialen Bestrebungen in afrikanischen und asiatischen Gebieten und in Kreisen Portugals nicht mehr zeitgemäß erschienen.

Die Erneuerung betraf in erster Linie die Volkskunde, sie konnte aber auch nicht von den innovativen Bestrebungen des Musikschaffens getrennt werden, denen sich Jorge Peixinho als Komponist verpflichtet fühlte. Dieses Forschung und Schaffen umfassende Anliegen der Erneuerung, das die Überwindung von Konzepten des Nationalismus autoritärer Systeme anstrebte, konnte nicht auf nationale Grenzen beschränkt bleiben. Es verlangte nach internationaler Kooperation und transkulturellen Ansätzen. Diese sollten nicht zuletzt aus pragmatischen Gründen der Kommunikation zunächst im Bereich der Länder und Gemeinschaften der portugiesischen Sprache aller Kontinente erfolgen.

Alleluia mit Tierstimmen von A.A.Bispo
Als symbolischer Akt dieser neu einzuleitenden Phase der Zusammenarbeit im Raum der portugiesischen Sprache wurde ein Konzert in der Aula des staatlichen Kollegs von Curitiba veranstaltet, in dem neben Vorträgen Werke portugiesischer und brasiliansicher Komponisten uraufgeführt wurden, die im Zeichen dieses Bestrebens in den Workshops während des Internationalen Kurses geschaffen worden waren.

Die angestrebte Erneuerung sollte zunächst in den Kreisen portugiesischer Immigranten erprobt werden, die sich in Brasilien durch ein besonderes Traditionsbewusstsein auszeichneten. Der aus den Umständen und den Bedürfnissen der Situation im Ausland nachvollziehbare Konservativismus führte zu einer Pflege von Musikpraktiken und Tänzen, die in unreflektierter Weise als ahistorisch und unwandelbar aufgefasst wurden. Um ins Bewusstsein zu rufen, dass auch die traditionsgebundenen Kulturpraktiken als Ausdrucksformen von historischen und kulturpolitischen Prozessen aufgefasst werden sollten, wurde eine Sitzung in der Casa de Portugal São Paulos veranstaltet, zu der die Vertreter Portugals sowie der verschiedenen Gruppen und Institutionen der portugiesischer Gemeinde eingeladen worden waren. Nachdem das Anliegen der Entwicklung einer transdisziplinären Kulturwissenschaft durch die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesse erläutert worden war, legte Jorge Peixinho seine Ansichten über die innovativen Tendenzen im zeitgenössischen Musikschaffen Portugals am Beispiel seines Werkes "Die vier Jahreszeiten" dar. Die Aufführung wurde von Äußerungen der Entrüstung der anwesenden Autoritäten begleitet, die schließlich unter Protest den Saal verließen.





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