Erneuerung der Kulturstudien, Musikkulturanalyse. Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft
Erneuerung der Kulturstudien, Musikkulturanalyse. Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft
Akademie Brasil-Europa
für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft
Organisation für Studien von Kulturprozessen
in internationalen Beziehungen
Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes - ISMPS e.V.
Vorsitzender:
Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo
Chroniken
Auswahl aus früheren Veranstaltungen
Erneuerung der Kulturstudien, Musikanalyse und Musikkulturanalyse
Vorträge und Diskussionen zur Vorbereitung der Gründung der Organisation für Studien von Kulturprozessen ("Neue Diffusion"), 1967
Die Erneuerungsbewegung der Kulturstudien, die ihren Ausgang in der Diskussion über das Verhältnis zwischen Geschichte und empirischer Forschung nahm, entstand im Musikbereich und wurde von dort aus extrapoliert. Sie zielte auf einen reflektierten Umgang mit volkskundlichen Erkenntnissen in der Musikhistoriographie und mit historischen Erklärungen in der Volkskunde. Eine bewusst geführte interdisziplinäre Zusammenarbeit, die als Notwendigkeit erkannt wurde, brachte sowohl für die Musikgeschichte als auch für die Volkskunde Veränderungen mit sich und förderte Überlegungen über epistemologische Fragen und Probleme der Methode in beiden Disziplinen. Gleichzeitig erwuchs die Einsicht, dass nur ein Umdenken hinsichtlich des Gesamtrahmens, in den sich diese Fachbereiche einfügten, Perspektiven zur Lösung der erkannten Problemen bieten könnten.
Musikgeschichte und musikalische Volkskunde richteten sich in überkommener Weise jeweils auf die Sphäre der Kunst- und der Volksmusik. Sie definierten sich durch eine Kategorisierung des Studienobjekts. Lösungen zu Fragen des Verhältnisses zwischen geschichtlicher und empirischer Forschung hingen somit mit der Überwindung dieser Sichtweise zusammen. Diese Änderung konnte jedoch nur allmählich angestrebt werden, d.h. es musste eine Entwicklung in Gang gebracht werden, die der Konstituierung einer transdisziplinären Kulturforschung den Weg bereitete. Als ein Schritt in diese Richtung erschien die Orientierung der Aufmerksamkeit auf Prozesse, die zwischen den Kultursphären verliefen.
Diese Überlegungen und Einsichten hatten notwendigerweise Auswirkungen auf Fächer theoretisch-systematischer Natur. Das Fach Musikanalyse bezeugte zu dieser Zeit die Veränderungen in diesem Bereich. Es ersetzte im Fachkanon des Musikstudiums die Formenlehre (Musikalische Morphologie). Als Formenlehre war sie eng mit der Musikgeschichte verbunden gewesen. Die Veränderung des Denkens und der Unterrichtspraxis ging von der erkannten Notwendigkeit aus, die Formen und Gattungen nicht als statisch, unwandelbar, ahistorisch anzusehen und zu vermitteln, was eine Denkweise förderte, die im kompositorischen Schaffen als akademisch und unkreativ kritisiert wurde. Die Historizität und damit die Veränderbarkeit der Formen sollten in den Vordergrund treten.
Bei der Betrachtung von Werken, die der nationalistischen Ästhetik und Kulturauffassung verpflichtet waren, trat ein anderes Problem in Erscheinung. Hier zeigte sich die Notwendigkeit, Formen zu behandeln, die aus der Volkskultur entnommen waren. Die Dozenten mussten sich nicht nur etwa mit der Sonatenform, mit dem Lied oder mit der Fugue befassen, sondern mit Choros, Batuques, Cateretes, Congadas, Reisados, Serestas, Modinhas u.a. Erscheinungsformen und Bezeichnungen, die eine Beschäftigung mit der Volkskunde erforderten. Auch wenn die Berücksichtigung von Volkstänzen in der Kunstmusik vor allem aus der Behandlung der Suite in der Formenlehre bekannt war, ergaben sich bei den brasilianischen Formen außerordentliche Schwierigkeiten. Waren die als Form aufgefassten Gestaltungserscheinungen tatsächlich Formen oder eher Bezeichnungen für Festbräuche, Aufführungspraktiken oder Tänze, die nicht so sehr durch die musikalische Form, sondern durch Rhythmen, choreographische Eigenarten oder gar Musikinstrumente definiert wurden?
Innerhalb des Faches bewirkten die mit der Formenlehre aufgespürten Probleme ahistorischer Tendenzen bei der Behandlung von Formen eine Umorientierung, die zur Umbenennung der Disziplin Morphologie in Musikanalyse führte. Zu den Vertretern dieser neuen Ausrichtung des Faches zählte Prof. Breno Braga, der hervorhob, dass die theoretische Ausbildung von Musikern, Musiklehrern und vor allem Komponisten die Berücksichtigung nicht nur von formalen Fragen, sondern auch anderer Aspekte - melodische, rhythmische, harmonische u.a. - erfordere. Nicht die rezeptartige Vermittlung eines Formenkataloges sollte Zweck des Faches sein, sondern die Befähigung zum analytischen Denken und Vorgehen. Nur auf dieser Weise konnte auch die theoretische Ausbildung Fähigkeiten vermitteln, die z,B. für die Kunst der Improvisation notwendig waren. Diese Förderung des analytischen Denkens bedeutete auch eine wichtige Voraussetzung zur Überwindung der Grenzen akademischen Konservatoriumsunterrichts und zwischen der Sphäre der Kunst- und der Popularmusik. Sie öffnete den Weg u.a. zur Berücksichtigung des Jazz im Rahmen der institutionalisierten Musikausbildung.
Die Bestrebungen jedoch, die auf eine Erneuerung der Kulturstudien mit dem Ziel der Entwicklung einer transdisziplnären Kulturforschung zielten, führten zur Einsicht, dass die analytische Haltung im Gesamtzusammenhang der Kulturforschung zu fördern war. Es sollte der Weg für die Entwicklung einer Kulturanalyse bereitet werden, und dies könnte erreicht werden durch analytisches Vorgehen bei der Untersuchung von Prozessen, die zwischen der Kultursphären - Kunst-, Volks- und Popularmusik - verliefen und die einzelnen Fachbereiche definierten. Die Musikanalyse sollte auf dem Weg zu einer Musikkulturanalyse durch eine Orientierung auf Kulturfragen auf dieses Ziel hinarbeiten.
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