Deutschland/Brasilien: Zur Erforschung der Forschung: An die Vergangenheit denken um die Gegenwart zu reflektieren. Studienzyklus der Akademie Brasil-Europa

Akademie Brasil-Europa

für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft

 


Themen
Auswahl von Fragenkomplexen, die in rezenten Studienprojekten der A.B.E. behandelt wurden

Deutschland/Brasilien. Zur Erforschung der Forschung: An die Vergangenheit denken um im Dienst der Zukunft die Gegenwart zu reflektieren - die 30er Jahre

Die A.B.E. vertritt die Auffassung, dass Kulturstudien in Zusammenhang mit der Erforschung der Forschung selbst durchgeführt werden müssen. Die Produktion und die Weitergabe des Wissens sowie die Netzwerke der daran Beteiligten stellen an sich selbst eine Kulturerscheinung dar, die Gegenstand einer transdisziplinären Kulturwissenschaft sein sollte. Die Untersuchung der Geschichte eines Studienfeldes ist ein wichtiges Moment bei diesem Anliegen, da dadurch Voraussetzungen, Kontexte und Entwicklungen analysiert werden können, die für eine bewusste Vorgehensweise notwendig sind.
Dieses Anliegen erweist sich besonders bei Studien von Kulturprozessen in internationalen Beziehungen von Bedeutung, da hier Netzwerke u.a. aus Gründen selektiver sprachlicher Kommunikation Denkweisen und Fragestellungen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit bestimmen. Da Ministerien und regierungsnahe Institutionen eine große Rolle spielen, die Kultur auch in den Dienst der Selbstdarstellung und Repräsentation von Staaten und der Förderung bilateraler Beziehungen setzen und sogar Kultur- und Wissenschaftsfragen zuweilen als hoheitliche Aufgaben erscheinen lassen, ist das Risiko groß, dass Netzwerke der Wissensproduktion und -weitergabe aus politischen Gründen gebildet oder beeinflusst werden.
Die Konstituierung von Gruppen kann unter Kriterien erfolgen, die eher machtpolitischer Natur sind. Die
Freiheit des Denkens und der Forschung kann dadurch beeinträchtigt werden und es besteht die Gefahr, dass ausgebildete Forscher und Gelehrte eher als Statisten in Beiräten erscheinen, die Handlungen und Tendenzen durch deren Autorität und Ruf rechtfertigen.
Die Analyse dieser Netzwerke, ihrer Voraussetzungen und Kontexte stellt eine besonders notwendige Aufgabe von Studien von Kulturprozessen in internationalen Beziehungen dar. Untersuchungen wissenschaftswissenschaftlicher Natur im Dienste reflektierter Vorgehensweisen können hier durch die Position und Einflussmöglichkeiten von Gruppen, die durch ihre Beziehungen an der Macht partizipieren und
von ihr unterstützt werden, erschwert oder behindert werden.

Diese Problematik muss vor allem in Studienfeldern berücksichtigt werden, die in autoritär geprägten und weltanschaulich bestimmten Situationen besonders gefördert und institutionell gefestigt wurden. Dies betrifft die Studien, die sich dem portugiesischen Sprachraum widmen, die in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland und in enger Zusammenarbeit vor allem mit Portugal eine bemerkenswerte Entwicklung erfuhren. Dieses damalige Interesse für deutsch-portugiesisch-brasilianische Beziehungen, das zur Intensivierung des Kulturaustausches und Vernetzung von Gelehrten und Interessierten führte, lässt sich nur durch die politische und weltanschauliche Nähe der beteiligten, totalitär verfassten Nationalstaaten erklären.

Die Untersuchung dieser wichtigen Phase der Geschichte des Studienfeldes ist jedoch mit besonderen
Schwierigkeiten belastet. Durch den Ausgang des Krieges, durch Entnazifizierungsmaßnahmen oder durch das Bestreben zum Neuanfang wurden Publikationen und Materialien entfernt oder vernichtet und Namen und Fakten der Vergangenheit verschwiegen. So begegnet der Forscher vielfach Fächern ohne Vergangenheit und in der Literatur zuweilen Namen, die offenbar eine maßgebliche Rolle gespielt hatten, über die aber kaum etwas zu erfahren ist. Unter diesen Umständen sind Auseinandersetzungen mit der geschichtlichen Entwicklung von Fachbereichen, Denkströmungen und Fragestellungen oder gar eine Vergangenheitsbewältigung schwer möglich.

Es besteht die Gefahr, dass in der Vergangenheit erfolgte Ausrichtungen der Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen und Sichtweisen von Entwicklungen unreflektiert fortgesetzt sowie Deutungen und Erklärungsmuster übernommen werden. Die Beschäftigung mit dieser Vergangenheit verlangt die Erhebung von Quellen, die unter den gegebenen Umständen nicht leicht durchzuführen ist, sowie die kontextgerechte und differenzierte Auswertung der ermittelten Informationen. Dabei werden Namen und Fakten ans Licht gebracht, die mit bedenklichen Entwicklungen und Situationen in Verbindung standen.


Veröffentlichte Texte

"Brücke zum Westen". Fragen der Rechtfertigung von Köln als Zentrum portugiesisch-brasilianischer Studien in den 30er Jahren

"Tor zur Welt". Fragen der Rechtfertigung von Hamburg als Zentrum portugiesisch-brasilianischer Studien in den 30er Jahren

Eröffnung des Portugiesisch-Brasilianischen Instituts Köln in ihrem politischen Kontext (1934)

"Stimme Brasiliens" beim Portugiesisch-Brasilianischen Institut Köln: Ildefonso Falcão und die Propaganda politisch geprägter lusophoner Studien in Pernambuco in den 30er Jahren

Synergie und/oder Verstärkung von Gruppen mit politischen Bindungen im Rahmen der Beziehungen zwischen Deutschland und den Ländern portugiesischer Sprache in den 30er Jahren

Tropenmedizin und die explizite Einbeziehung Brasiliens in die portugiesischen Studien in Deutschland. Dr. Johannes Zschucke

Brasilien in Europa, Portugal in Deutschland, Brasilien in Deutschland u.a.: Risiken totalitärer Konnotationen in Ausdrucksweisen. Lektoren und die Repräsentation von Nationen: Manuel de Paiva Boléo (1904-1992) über die Präsenz Portugals in nationalsozialistischen Organen (1935)

Rundfunksender, Ausbildung von Emissären und Gefahren von Interferenzen in Kulturstudien. Kulturtheoretische Probleme der Rolle des Rundfunks in den Kulturbeziehungen in den 30er Jahren

"Deutsche Zeitschrift". Problematik der Zeitschrift als Trägerin von Botschaften und als Sendebote. Periodische Publikationen und essentialistische Konzeption von Nationalität in den 30er Jahren

Kulturjournalismus/weite Verbreitung von Fachforschungen. Reiseliteratur in den 30er Jahren


Zyklus: Fotojournalismus vor 75 Jahren

Humor und Groteske im Kulturjournalismus im Dienst von Weltanschauungen. Hans Reiser zu brasilianischen Städten und Revolutionen

"Gemeinschaft der Lebenserfahrungen". Deutsche in der Geschichte des Kulturtourismus in Brasilien. Friedrich Riemer über eine Reise zum Itatiaia

Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung im Kulturjournalismus im Dienste wirtschaftlicher Interessen. Von Falkenberg über die Babassu-Palme als "Goldgrube"

Suche nach Sensationen im Kulturjournalismus und Verbreitung bedenklicher Menschenbilder. Otto Steiniger über seine Erlebnisse bei den Bororo

"Phantastisch!" Journalisten und Zeppeline im Dienste der Propaganda und der Anwerbung von Immigranten. Arthur Rehbein über seinen Flug nach Brasilien

Straßen und nationale Integration im politischen Denken/Kommunikations- und Transportwege im Kulturjournalismus. Reinhard Maack über Reisen mit Pferdewagen und Kanus durch Brasiliens

"Mit Volldampf". Lokomotive als Emblem und Eisenbahnen in Erschließungsregionen in der Reiseliteratur. Karl Watzinger über seine Zugreise nach Mato Grosso

"Immer Vorwärts". Leibeskultur und der "Triumph des Willens". Sporttourismus und Anschauungen. Siegfried Schütze über seine Fahrten mit dem Fahrrad durch Südamerika





Sitemap


Die Akademie

Zielsetzung und Geschichte   -   Organisation   -   Studienzentrum   -   Archive

Aktivitäten

Forschungsprogramme   -    Themen   -   Berichte   -   Chroniken

Online-Zeitschrift

Revista Brasil-Europa

Institutionelle Bindungen

Brasil-Europa   -   I.S.M.P.S. e.V.

Allgemeines

Kontakt   -   Impressum