Kultur und Ethik im Kontext des deutsch-französischen Spannungsfeldes im Elsass. Studienzyklus der Akademie Brasil-Europa für Kultur-und Wissenschaftswissenschaft

Akademie Brasil-Europa

für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft

 


Themen
Auswahl von Fragenkomplexen, die in rezenten Studienprojekten der A.B.E. behandelt wurden

Kultur und Ethik im Kontext des deutsch-französischen Spannungsfeldes im Elsass (2009)

Die Organisation für Studien von Kulturprozessen, die in São Paulo 1968 gegründet wurde, steht in einer geschichtlichen Entwicklung, die auf eine 1919 in Salzburg gebildete Akademie zurückgeht. Wenn diese auch im deutschsprachigen Raum entstanden ist, wurde ihr Kreis von Erneuerungsbestrebungen erfüllt, die auch die Wiederaufnahme von durch den Krieg unterbrochenen Beziehungen zur französischen Welt mit sich brachten. Damit erklärt sich die Bedeutung von Darius Milhaud und seiner Saudades do Brasil für diesen Kreis.

Auch hinsichtlich seiner geisteswissenschaftlichen Tendenzen lässt sich eine Verortung in dem Raum erkennen, der durch die Begegnung und Interaktion zwischen französischer und deutscher Kultursphäre gekennzeichnet ist. Die Mitglieder dieses Kreises pflegten nicht nur Beziehungen zur Schweiz, sondern auch und vor allem zum Elsass.

Diese Region, die seit dem Krieg von 1871 zum Deutschen Reich gehörte und mit der Beendigung des I. Weltkrieges 1918 auf Frankreich überging, eignete sich wie kaum eine andere für Untersuchungen von Begegnungen und Interferenzen von Sprach- und Kulturprozessen im deutsch-französischen Beziehungs- und Spannungsfeld.

Fragen der Identität erweisen sich im elsässischen Kulturkomplex durch den Wechsel von Zugehörigkeitsverhältnissen und Beziehungen in der Geschichte als besonders schwierig und verlangen ausdifferenzierte Antworten, die z.B. Identität und Idiom nicht unbedingt in Beziehung setzen.

Diese von Instabilität und wechselhaften Bindungen geprägte Situation wurde in Brasilien durch die Auswanderer bekannt. Im 19. Jahrhundert kam z.B. der Musiker und Händler Louis Levy nach São Paulo, der aus der jüdischen Bevölkerung von Elsass-Lothringen stammte und eine bedeutende Rolle in der französisch geprägten Kultur Brasiliens spielte.

In den zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts sollte die elsässische Situation nach dem Krieg durch diejenigen Auswanderer aus dem deutschsprachigen Raum in Brasilien bekannt gemacht werden, welche die in Salzburg begonnene Kulturarbeit fortführten.

Die Persönlichkeit aus dem Ellsass, die am nachhaltigsten in diesem Kreis wirkte, war Albert Schweitzer. Durch ihn wurde nicht nur die Bach-Bewegung in São Paulo maßgeblich geprägt. Seine kulturphilosophischen Analysen wurden rezipiert, und vor allem seine Auffassungen über eine Ethik der Achtung vor dem Leben übten einen tiefgreifenden Einfluss aus.

Bis heute bemüht sich die A.B.E., diese Orientierung lebendig zu halten und zu aktualisieren. So wurde im Jahr 2000 im Rahmen der 500-Jahr-Kommemorationen der Entdeckung Brasiliens eine Tagung zu Albert Schweitzer in seiner Bedeutung für die Kulturstudien abgehalten. Bei dieser Gelegenheit wurde der Plan gefasst, in Zusammenarbeit mit brasilianischen Mitgliedern der A.B.E. unter Leitung von Prof. Henrique Siefert, die im Elsass lebten, ein Studienprogramm durchzuführen, das auch Arbeiten an Ort und Stellen einschließen sollte.

Besprechungen im Elsass waren vor Jahren bereits in St. Ottilien durchgeführt worden, als vor allem Fragen des kontemplativen Lebens unter dem Aspekt der Bildersprache und in ihren Beziehungen zur Ethik behandelt worden waren. Nun sollten geisteswissenschaftliche Strömungen des Denkens und der Spiritualität berücksichtigt werden, die sich besonders in der spannungsvollen Situation des Elsass im 19. und beginnenden 20. Jh. ausbreiteten und in Brasilien nachgewirkt haben. Auch beachtet werden sollten katholische Stimmen Frankreichs, die den Pangermanismus als ein Ergebnis deutscher Wissenschaftsgläubigkeit im evolutionistischen Sinne eines Ernst Haeckel kritisierten.



Veröffentlichte Texte

Elsässisch-brasilianische Kulturstudien. Begegnungen und Interaktionen von französischen und deuschen Kultursphären und ihre Extensionen

Mater Alsaciae. Paradigmen des kontemplativen Lebens und die ethische Reflexion in europäischen und brasilianischen Kontexten

Französisch-deutsche Spannungen in der elsässischen Identität und ihre Interferenzen in Denkprozessen und in Studien der Religion und Spiritualität. "Teutonismus und Keltismus". Édouard Schuré (1841-1929) und seine Rezeption in Brasilien

Französisch-deutsche Kontexte in der Bach-Bewegung und ihre Extensionen in Brasilien. Orgeln der Elsass und die Orgelbewegung. Charles-Marie-Widor (1844-1937) und Albert Schweitzer (1875-1965)

Kulturkrise und ihre ethischen Ursachen. Relektüre kulturphilosophischer Analysen von Albert Schweitzer und Vom Geist der Kathedralen von Paulo Duarte (1899-1984)

Differenzen zwischen Idiom und Identität am Beispiel von Elsass-Lothringen und die Politik französischer Kulturdiffusion nach dem I. Weltkrieg

Friedenskonferenz von Versailles. Elsass, französisch-deutsche Beziehungen und die Rolle Brasiliens: Epitácio Pessoa (1865-1942)

Französische katholische Perspektiven: Evolutionistischer Szientifizismus als Ursache des Pangermanismus und der ethisch-kulturellen Rückentwicklung. Paul Bourget (1852-1935) gegen Ernst Haeckel (1834-1919)

In Krisenjahren: 1929 und 2009. Paulus-Mystik von Albert Schweitzer und "Ethische Mystik". Überlegungen aus der Perspektive Brasiliens

Verinnerlichung in der Alltagskultur und die Ethik der Achtung vor dem Leben in Afrika und Brasilien. Die Rolle der Frau in der Ausbreitung und der Realisierung der Ideale von Albert Schweitzer





Sitemap


Die Akademie

Zielsetzung und Geschichte   -   Organisation   -   Studienzentrum   -   Archive

Aktivitäten

Forschungsprogramme   -    Themen   -   Berichte   -   Chroniken

Online-Zeitschrift

Revista Brasil-Europa

Institutionelle Bindungen

Brasil-Europa   -   I.S.M.P.S. e.V.

Allgemeines

Kontakt   -   Impressum